Goths oder Grufties oder Schwarzkittel...I am so gothic...
Diese Jugend-Subkultur entstand Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts- ohh, klingt krass alt, lol...Mittlerweile ist sie weltweit verbreitet, zum WGT in Leipzig reisen Schwarze aus aller Welt an, aus Japan und den USA. Sie entwickelte sich aus der New-Wave und Punk-Bewegung und wird als friedlich-schwarzromantisch charakterisiert.
Obwohl wie gesagt friedfertig, kritisiert die Szene dennoch die normale, die konservative Gesellschaft, deren Fehler sie natürlich erkennt und bemängelt, wie Intoleranz, Konsum-Orientierung- wobei auch wir gerne " konsumieren " *frei-zugeb* und die daraus resultierenden Folgen für Menschen, Tiere und Umwelt. Wir haben uns davon demonstrativ abgewandt, was durch die schwarzen Klamotten als Abgrenzung überdeutlich gezeigt wird. Goths gelten als elitär, dem Tod zugewandt und den daraus resultierenden Überlegungen und Konsequenzen für das eigene Leben...
Wir sind aber keine Trauerkultur!!! Ich trinke gerne mal Met, den ziemlich starken Honigwein- kann bis zu 16% Vol. haben- und dann funzt das schon krass rein, hehe...Wir feiern gerne Parties und lieben Treffen mit Gleichgesinnten und Events der Dark Music, besonders geil ist das in alten Burgen. Und das jährliche WGT ( Wave-Gothic-Treffen ) in Leipzig ist ein absolutes Muß für mich und das Jahres-Highlight schlechthin...
Wir lieben Kleider aus dem Mittelalter, dem viktorianischen Zeitalter und klar auch neue durchgeknallte Mode. Das Mittelalter fasziniert uns aber besonders, auch wenn damals auch nicht alles paletti war...Ich bin natürlich gepierct, wo, sage ich nicht...6 Piercings und zwei Tattoos zieren meinen Körper.
Ich trage natürlich gerne Silberschmuck, Armreife und -zig Ringe und Halsketten, meine Lieblinge sind mein Pentagramm und mein umgedrehtes Kruzifix- wobei ich mit der Kirche nix mehr am Hut habe. Manche halten mich für ne Satanistin wegen dem Kreuz, dabei ist das auch als Petruskreuz bekannt, weil der umgekehrt gekreuzigt wurde. Aber die Christen wissen oft weniger als ich von ihrem merkwürdigen Glauben...
Wahnsinnig gerne trage ich meinen Minirock und dazu meine Korsage, dazu Netzstrümpfe und meine krass abgefahrenen 20-Loch Springerstiefel. Gehe ich in meinen Club, habe ich meine heißen Slushs an, darin fühle ich mich einfach sexy und sicher dabei, plöde was? Dann kratzt es mich auch nicht, wenn mich jemand dämlich anmacht, egal ob Hipphopper, Emos oder unsere überall präsenten StiNos, also die Vertreter der " stinknormalen " Gesellschaft...Und im Sommer latsche ich gerne in meinen geliebten Chucks durch die Botanik.
Die Jungs bevorzugen Anzüge und Zylinder bei Events oder die romantische Mittelalter-Linie mit Rüschchen-Hemden und langen Mänteln oder Uniform-Jacken. Oder die lässig-moderne Linie mit Ranger-Combat-Hose, Combathemd oder Cordsamt-Hemd, im Sommer heiße T-Shirts oder Tanktops. Die Sonnenbrille ist ein must-have, auch wenns mal trübe ist, oder gleich ne Schweißerbrille, hihi...
Sehr selten- für mein Outfit- werde ich von allen möglichen Leuten plöde angemacht, ob ich Satanistin bin und Kinder fresse? Warum ich so schwarz rumlatsche und nicht überschäumend fröhlich bin? Wenn jeden Tag fast ein Mord passiert, die meisten Menschen hungern und wir Fleisch im Übermaß reinpfeifen...Kriege überall sind und Leid- ja ich sehe eben da nur manchmal Grund zum Jubilieren...Warum ich so laute depressive Musik höre und kurz später knallhartes Dark-Metall-Geschrei? Warum lassen die mich nicht einfach in Ruhe und mein Ding durchziehen? Ich tue ihnen doch nichts und motze auch nicht über ihren Lebenstil...Geht mir am A*** vorbei...Ich fetze ja auch keinen alten Sack an, weil der einen Bierbauch hat und so ein heißes beigefarbenes Höschen samt Tennissocken und Sandalen...
Ich denke, ich muß da durch- warum latsche ich auch so rum und passe mich nicht brav an??? Also ertrage ich oft demütig Haß, Spott und Ablehnung von Jungen und Alten- dabei sehne ich mich sooo nach Liebe und Anerkennung und Wärme...Die soziale Kälte in diesem Land ist schon strange, dabei hab ich noch genügend Kohle für meine Bedürfnisse und ne gewisse vielversprechende Zukunfts-Perspektive...Obwohl ich allen Menschen immer freundlich gegenübertrete, funzt das kaum positiv...Liegt aber auch an mir, na ja...Nur innerhalb der Schwarzen Szene fühle ich mich noch geborgen außer bei meiner family...Und oft fühle ich eine Verletzung wie einen Stich ins Herz...
Dann liege ich auf meinem Bett und heule und flüchte mich in meine Welt, meine Musik. Die trifft genau meine Gefühle und baut mich wieder langsam auf. Und ich sehe dann meinen Weg vor mir: Durchhalten, irgendwann kommt vielleicht auch mal für mich eine gute Epoche, wo ich glücklich sein darf- zumindest eine kurze Zeit, denn das Leid ist schon überall kostenlos einprogrammiert...
Oft rasen dann meine Gedanken wie wild durch meine Birne. Ich liege dann da und versuche, diesen pausenlosen Gedankenstrom zu stoppen. Viele davon ängstigen mich zusätzlich: Wer bin ich eigentlich und wozu bin ich hier in diesem Land und Zeitalter? Ich komme mir so vor, als wäre ich aus dem Mittelalter rausgefallen und hier reingebeamt worden...Warum muß ich hier leiden und wozu eiere ich hier im Kreis rum, wenn ich eh sterben muß? Denn das ist das Einzige, was ja sicher ist und verläßlich...
Ein paar mal schon stand ich dann auf der Straßenbrücke und schaute hinunter aufs Bahngleis, wenn ein ICE vorbeipfiff. Ein bißchen Mut- und alle Probleme wären gebongt...
Ich tue es aber nicht- Mom und Dad wären wohl sehr traurig über mein Versagen- also eiere ich tapfer weiter durch die Prärie und ziehe mir abends heißen Met hinter die Kiemen, bis ich wohlig angesickert bin und schlafen kann...
Wenn ich besser drauf bin, ziehe ich los und mache einen Schlender-Trip über den Friedhof in unserem Stadtteil- dabei kann ich so gut nachdenken. Bevorzugt bei Nacht und wenns Vollmond hat...*Schauder* Das ist so schön gruselig und geheimnisvoll, und ich bilde mir ein, die großen schönen Engelsstatuen auf manchen Grabmälern reden zu mir. Dann reflektiere ich über meinen und unser aller Tod...Manchmal überkommt mich dann eine unheimlich starke Gier nach Leben, und ich laß die Sau raus...